Neuerscheinung: Distant Reading. Von Franco Moretti
7. März 2016
Konstanz: Konstanz University Press 2016.
Aus dem Englischen übersetzt von Christine Pries.
Zitation
Wer über Weltliteratur sprechen und globale Literaturgeschichte ernst nehmen will, kommt längst um Franco Moretti nicht mehr herum. Die mit seinem Namen verbundenen quantitativen und empirischen Verfahren versprechen nicht nur, die Beschränkungen individueller Lektürehorizonte zu überschreiten, sondern auch den eurozentrischen Zugang zur Literatur endgültig zu verabschieden. Die Schlüsseltexte seines Programms liegen nun auch in deutscher Sprache vor.
Franco Moretti hat sich mit dem Schlagwort des distant reading weltweit einen Namen gemacht als Vorreiter einer quantitativen und statistischen Erforschung von Literatur. Dabei werden im Gegensatz zum herkömmlichen close reading, das wenige Texte detailliert und unter qualitativen Gesichtspunkten betrachtet, riesige Textmengen herangezogen. Insbesondere in den Digital Humanities erwartet man sich durch diese Methode neue Erkenntnisse.
Überdies bleibt die herkömmliche Literaturwissenschaft nicht nur an die individuelle Leseleistung, sondern auch an die begrenzten Sprachkenntnisse einzelner Forscher gebunden. Für Moretti ist es an der Zeit, analog etwa zur Globalgeschichte auch zu einer Weltliteraturforschung vorzudringen, die er unter Zuhilfenahme von Big-Data-Verfahren plausibel macht.
Morettis Vorschläge werden kontrovers diskutiert – nicht zuletzt von ihm selbst. Es bleibt offen, ob sich durch quantitative Analysen tatsächlich nichttriviale und interpretationsrelevante Befunde erheben lassen und inwiefern damit der Einzigartigkeit von Kunstwerken Gewalt angetan wird. Es macht aber die besondere Qualität Morettis aus, dass er eine entsprechende Skepsis artikuliert und seine Forschungen eher experimentell als dogmatisch betreibt. Das hier vorgelegte Buch gibt dazu reiches Anschauungsmaterial. (Verlag)
Rezensionen
Der Sherlock-Algorithmus
Wie der Literaturwissenschaftler Franco Moretti das Lesen und Interpretieren von Klassikern
veränderte. Von Matthias Dusini
Falter, 7. Dezember 2016
Literaturhistoriker Franco Moretti: Lesen aus der Entfernung
Rezension von Martin Zähringer
Deutschlandfunk, Büchermarkt, 15. November 2016
Weltliteratur gescannt
Eine Revolution für das Bücherlesen: Franco Morettis brillante Essays sind endlich übersetzt. Von Steffen Martus
Die Zeit, 4. August 2016
Wie Big Data die Literaturwissenschaften erobert
Rezension von Marc Reichwein
Die Welt, 6. Juli 2016
Der Gewinner der Digitalisierung
„Distant Reading“ von Franco Moretti ist das interessanteste literaturtheoretische Buch, das seit vielen Jahren erschienen ist. Von Andreas Bernard
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. März 2016
Franco Moretti lehrt Humanities an der Stanford University. Er gehört zu den profiliertesten Vertretern der Digital Humanities.
Die englische Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel „Distant Reading“ bei Verso (London). Die hier vorliegende deutsche Übersetzung wurde durch den Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ gefördert.